KIÖR in Wolfenbüttel
In letzter Zeit ist es ein wenig ruhiger zugegangen, hier bei Testengel. Doch ich denke, jeder hat in den letzten Monaten mehr mit sich selbst zu tun gehabt und weniger Interesse an den typischen Lifestyle-Beiträgen. Doch so nach und nach kommt wieder Leben in die Städte und so auch nach Wolfenbüttel.
Darum möchte ich Euch heute ein spannendes Projekt vorstellen:
KIÖR
heißt: Kunst Im Öffentlichen Raum. Hierbei geht es unter Anderem auch um den stadtplanerischen Umgang mit Kunst in der Öffentlichkeit. Der Kunstverein Wolfenbüttel hat darum mehrere Künstler eingeladen, sich von der Innenstadt Wolfenbüttels inspirieren zu lassen und Kunstwerke zu erschaffen, die auf die räumlichen und architektonischen Bedingungen eingehen.
Erfahren habe ich von diesem Projekt durch einen Zufall. Ich war am Wochenende mit meinem Mann spazieren, die Schönheit unserer Stadt genießen…
… vorbei am schönen Lessingtheater gelangten wir zum Stadtgraben. Dort gibt es eine verwilderte Überschwemmungswiese. Und auf dieser Wiese lag ein „Ding“:
Und als ich da so stehe und grübele, was das wohl ist, spricht mich ein junger Mann an, ob er mir dazu was sagen dürfte. Hmm, klar, warum nicht. So wurde mir dann also erklärt, dass dies ein Kunstwerk wäre und in der Stadt noch mehr zu finden sei. Ich bekam noch mehr interessante Infos und eine kleine Broschüre mit der Lage der anderen Objekte. Nun war meine Neugier geweckt. Also habe ich mich einen Abend später auf den Weg gemacht, diese Kunstwerke zu entdecken.
Beginnen wir also gleich mal mit dem seltsamen Ding im Park:
Der Künstler heißt
Christian Holl und sein Werk „AREA X“
Ich dachte ja von Weitem an einen dicken Kabelstrang, der da aus der Erde kommt.
Bei näherer Betrachtung hat es etwas dystopisches, außergalaktisches, fremdartiges. Das macht nicht nur die Form, auch die Oberfläche und wie es da so scheinbar aus der Erde wächst.
Es ist schon eine sehr spezielle Kunstform und in der Art hier mitten in der Natur sicher nicht jedermann Sache. ICH finde sowas allerdings richtig cool! (Stehe dafür aber nicht auf rostige Objekte… )
Auf jeden Fall hat mir dieses Werk schon einmal … gefallen? Nein, das wäre nicht das passende Wort… es hat mich neugierig gemacht, es hat mich fasziniert und beeindruckt.
Das 2. Objekt auf meinem Rundgang war an der Hauptkirche zu finden.
Die Künstlerin
Paloma Riewe mit „Stormy Weather“
Hierbei handelt es sich um einen Holzsteg unter dem sich 4 bootsartige Gebilde befinden.
Durch die besondere Lage und die luftige Struktur ergibt sich ein ganz einzigartiges Gefühl.
Der Betrachter hat beim Blick in die Bootskörper ein fast schwereloses Freiheitsgefühl, jedenfalls ging es mir so. Und so hatte ich auch kein Bedürfnis, AUF den Steg zu gehen. Es schien mir irgendwie zu dominant.
Schwer zu beschreiben, aber ein tolles Werk, das ein gutes Gefühl vermittelt.
Und dann der Blick über diese fast schon mediterrane Leichtigkeit zu den parkenden Autos an der Straße nebenan. Hat was Surreales.
Das nächste Objekt fand sich gleich nebenan. In der Fischerstrasse, an einer besprühten Fassade, verewigte sich der Künstler
Arne Rautenberg mit „Unserer Zukunst“
Eine eher unscheinbare Steintafel an der mit Graffiti beschmierten Wand. Sieht so die Kunst der Zukunft aus? Muß Kunst sich an die öffentlichen Gegebenheiten, so auch beschmierte Wände, anpassen? Sind beschmierte Wände gar irgendwann Kunst? Hat auf jeden Fall was von einer Gedenktafel…
Nur wenige Schritte entfernt das nächste, interessante Objekt. Es prankt an der Fassade der Seeliger-Bank.
Volker Tiemann hat mit „Großes Stück für Wand und Stuhl“
einen außergewöhnlichen Blickwinkel geschaffen. Denn hier wurde ein Stuhl an die Wand geworfen!
Die Stücke sind um 30% vergrößert und ergeben im Ganzen tatsächlich einen vollständigen Stuhl.
Er hängt allerdings so hoch, dass wohl nur wenige Menschen bisher etwas von dem Objekt bemerkt haben. Als ich gestern dort stand und Fotos machte, blieben die Passanten stehen, schauten da hin, wo ich hin schaute und waren ganz erstaunt, dort einen Stuhl zu finden 😉
Spannend an dem Ganzen Projekt ist auch, dass man seine Heimat mal wieder aus ganz anderen Blickwinkeln betrachtet. Wie oft läuft man durch diese wunderschöne Altstadt, ohne wirklich wahrzunehmen, was für tolle Ecken es hier zu entdecken gibt.
Der nächste Künstler, den ich Euch vorstellen kann, ist
Klaus Kleine mit „I aplat“
Hierbei handelt es sich um gegossene Muschelstücke auf einer Holzplattform, die aus Kisten besteht, in denen Kunst normalerweise verpackt wird.
Also Kunst auf und nicht in der Kiste 😉
Sein Werk ist vor dem Zeughaus zu finden.
Auch hier sind wieder diese ganz besonderen Blickwinkel spannend. Die Muschel, als Symbol für etwas Wertvolles passt hervorragend zu Hintergrund des barocken Schlosses und des Zeughauses.
Und nun kommen wir zum letzten Objekt, das fotografiert werden kann. Dies hat mich ganz schön geärgert und mir einen vollkommen neuen Blick auf meine Stadt gegeben.
Heiko Wommelsdorf mit „Schallleistungspegel“
hat mich kreuz und quer durch die Stadt gejagt… und doch war ich wenig erfolgreich. Der Künstler hat sich darüber Gedanken gemacht, wie wir in der heutigen Zeit mit Geräuschen überschwemmt werden, die nie gemessen werden. Es gibt Schalleistungsmessungen für Autos, Waschmaschinen, Kühlschränke… doch was ist mit den Dingen, die uns alltäglich beschallen, ohne dass wir es explizit merken? Diese Dinge hat der Künstler mit ihrem entsprechenden Pegelwert etikettiert.
Es gibt Meß-Etiketten an Ampeln, Trafohäuschen, Lüftungsanlagen ect… doch ganz ehrlich, gefunden habe ich nur dieses eine Etikett. ABER… bei meiner Suche nach diesen Pegel-Symbolen ist mir aufgefallen, wie extrem etikettiert Ampel-Säulen, Schilder-Stangen, Zaunpfähle und Stromhäuschen so sind!! Meine Güte, wie schmutzig und entwertet viele Dinge aussehen, auf die man sonst nie achtet!!
Es gibt noch eine weitere Künstlerin im Projekt:
Stefanie Klingemann mit „Streifzug“
Ihr Projekt kann man allerdings nicht fotografieren, sondern nur erleben. Sie hat einen Wolf spät abends in der Innenstadt laufen lassen, ausgestattet mit einem GPS-Tracker. Die Spur des Wolfs lässt sich nun auf einer Karte nachverfolgen und somit kann jeder dem „Streifzug“ des Wolfs nachgehen. Es soll den besonderen Bezug von Wolfenbüttel zum Wolf symbolisieren. (Auch wenn der Wolf nichts mit der Namensgebung der Stadt zu tun hat.)
Und das war mein Streifzug durch einen wundervolle Stadt mit ganz außergewöhnlichen Kunstwerken. Ich finde es eine tolle Art, seine Heimat mal wieder ganz neu kennenzulernen, einen neuen Blickwinkel auf bekannte Dinge zu erhalten und wieder mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen.
Es ist sicher nicht einfach, in den Objekten immer gleich die Kunst zu erkennen. Doch wenn man sich ein wenig Zeit nimmt, nachdenkt oder auch nur die Gedanken schweifen lässt und nicht immer vorbei-hastet, dann kann man ganz neue Seiten seiner Heimat entdecken.
Danke an den Kunstverein Wolfenbüttel für dieses spannende Projekt.
xoxo